Die Relevanz von Marktplätzen in der Schweiz

Die Relevanz von Marktplätzen in der Schweiz

Marktplätze haben sich als wichtigste Anbieter im Online-Handel etabliert. Weltweit – da bildet die Schweiz keine Ausnahme – belegen Online-Marktplätze die vorderen Positionen in Rankings. Und im direkten Vergleich weisen Marktplätze auch ein überdurchschnittliches Wachstum gegenüber dem restlichen Online-Handel auf. Es sind die grossen Online-Marktplätze, die aktuell stationäre Händler und andere Online-Shops besonders unter Druck setzen.

Wie weit dies gehen kann, zeigt sich beispielsweise in Deutschland, wo Amazon im vergangenen Jahr mit einem Handelsumsatz von ca. CHF 49 Mrd. über die Hälfte der Online-Umsätze erzielt hat (IfH, 2021). Ähnlich sieht das Bild in den USA und in Grossbritannien aus. In vielen asiatischen Ländern dominieren die Marktplätze von Alibaba den Online-Handel mit einer ähnlichen Macht. Zudem zeigt sich, dass in den meisten Ländern die Marktplätze stärker als der restliche Online-Handel wachsen. Damit ist deutlich, dass sich der Online-Handel – auch in der Schweiz – immer stärker auf Plattformen verlagern wird.

Die Plattformen zeichnet in der Regel aus, dass sie lediglich Vermittler zwischen der Kundschaft und Anbietern sind – es sind die Drittanbieter, denen die Produkte gehören, die die Preise festlegen und die mit dem Endkunden handeln. Der Marktplatz-Anbieter unterstützt mit mehr oder weniger umfassenden Dienstleistungen und erhält dafür eine Provision. Oftmals sind die Marktplatzbetreiber häufig auch selbst als Händler aktiv. Damit ergibt sich eine Mischung von Eigenhandel und Plattformgeschäft.

Marktplätze unter den Top-Online-Anbietern in der Schweiz

Bereits heute sind Marktplatzmodelle führend im Schweizer Online-Handel. Von den Top-15 der grössten Online-Anbieter in der Schweiz sind mehr als die Hälfte auch als Marktplatz aktiv.

Die Anbieter verfolgen dabei sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle:

  • Beim deutschen Fashion-Händler Zalando steht das Eigengeschäft im Fokus, allerdings ergänzt das Unternehmen sein Sortiment seit längerem mit dem Angebot von Drittanbietern.
  • Beim globalen Giganten Amazon wird der weltweite Handelsumsatz etwa zur Hälfte von Marktplatzpartnern erzielt – mit steigender Tendenz. In der Schweiz dürfte das Eigengeschäft noch dominieren, da viele Marktplatzpartner aus Deutschland den Aufwand scheuen, ihre Produkte auch in der Schweiz zu verkaufen.
  • Galaxus ist wie Amazon als Eigenhändler gestartet, baut seit einigen Jahren sein Netzwerk an Marktplatzpartnern aber stark aus. Dadurch wächst das Sortiment von Galaxus sowohl in der Breite als auch in der Tiefe.
  • Aliexpress und Wish sind klassische Marktplätze – die beiden chinesischen Anbieter überzeugen die Kundschaft v. a. durch ihr Billigangebot.
  • Microspot wird häufig als Marktplatz bezeichnet, soll allerdings an dieser Stelle nicht eingehender betrachtet werden, weil das Unternehmen sehr selektiv bei der Auswahl der Händler ist. Es gibt nur sehr wenige Drittanbieter auf microspot.ch (z. B. Christ, Livique und seit September 2021 auch Ochsner Sport); die meisten davon gehören zur Coop-Gruppe. Microspot spricht im Rahmen seiner Sortimentsstrategie aktiv und punktuell einzelne Unternehmen als Drittanbieter an, präferiert dabei aber ein Vendor-Modell gegenüber der Listung als Marktplatzpartner. Zudem wird jedes einzelne Produkt auf Microspot nur von einem einzigen Anbieter verkauft – es gibt also keine Konkurrenz bei den Produkten.
  • Stark sind in der Schweiz auch C2C-Plattformen wie Ricardo und eBay, die sich auf Transaktionen zwischen Privatpersonen fokussieren (obwohl auch Unternehmen als Anbieter auf diesen Plattformen aktiv sind, v.a. bei Fahrzeugen und mit Restposten und Retouren). Ricardo liegt mit über CHF 800 Mio. hierbei auf dem 3. Platz aller Schweizer Online-Anbieter.

Wie in fast allen Ländern, haben die Marktplatzanbieter in der Schweiz in den vergangenen Jahren ihre Umsätze massiv steigern können. Lediglich die chinesischen Anbieter AliExpress und Wish, die über mehrere Jahre einen regelrechten Boom erlebt haben, mussten 2020 wegen der Corona-Pandemie eine Schwächung beim Wachstum hinnehmen. Dies dürfte auch eine Folge der aufgrund der Pandemie sich verschlechternden Lieferfristen gewesen sein.

Gründe für den Erfolg des Marktplatzmodells

Auf Online-Marktplätzen bieten viele verschiedene Händler der Kundschaft ihre Produkte an. Sie greifen damit die traditionellen Ideen der Bauernmärkte und Shopping-Center auf. Statt Produkte selbst zu verkaufen und damit das Warenrisiko auf sich zu nehmen, stellen die Marktplatzbetreiber lediglich das Angebot zusammen und bringen Nachfragende und Anbieter zusammen.

Die Kundschaft hat damit eine sehr grosse Auswahl, kann Produkte leichter suchen und die Preise direkt vergleichen. Zudem profitieren sie etwa von Produktbewertungen.

Der Erfolg von Marktplätzen beruht in erster Linie auf sogenannten Netzwerkeffekten, also den Vorteilen, die durch die Gegenwart zahlreicher Lieferanten und Kunden entstehen.

Einige Beispiele dafür sind:

  • Ein tiefes und – je nach Art des Marktplatzes – auch ein breites Sortiment,
  • Vergleichbarkeit von Produkten und Anbietern,
  • Preiswettbewerb durch viele Anbieter für das gleiche Produkt,
  • hohe Kundenfrequenz wegen der vielen Anbieter,
  • User-generated Content wie Produktbewertungen,
  • mögliche Grössenvorteile in der Logistik, wenn der Marktplatzbetreiber die Logistik für seine Marktplatzpartner übernimmt,
  • Attraktivität für Dienstleister, Leistungen für die Plattform zu erstellen.

Die genannten Effekte schaffen eine grosse Attraktivität bei der Kundschaft. Zwischen 70 und 80% der Schweizer kaufen auf Online-Marktplätzen ein. Dies macht es für weitere Anbieter attraktiv, über die Plattform zu verkaufen. Der Erfolg nährt somit den Erfolg.

Diese Vorteile führen aber – konsequent zu Ende gedacht – dazu, dass bei Marktplätzen in vielen Ländern und Branchen ein «The winner takes it all» vorherrscht. Je grösser ein Marktplatz ist, umso stärker wirken die genannten Vorteile auf Kunden, Anbieter und Dienstleister. Deshalb stellt sich die grundsätzliche Frage, ob in einem Land und in einer Branche langfristig Platz für mehrere Marktplätze ist.

Das Geschäftsmodell von Marktplätzen basiert in der Regel auf Einnahmen von den Marktplatzteilnehmern. Zusätzlich sind auch Gebühren für das Listing, beispielsweise für die Präsentation eines Produkts über einen bestimmten Zeitraum, üblich. Eine weitere Einnahmequelle können auch Vermarktungsmassnahmen für Händler sein. Diese bestehen beispielsweise in einer besseren Platzierung in den Suchergebnissen, oder umfassen die gezielte Vermarktung der Produkte an bestimmte Kundengruppen. Die Vermarktung von Werbung auf Plattformen wird künftig sicherlich noch an Bedeutung zunehmen.

Handelsangebote wandeln sich zu Marktplätzen

Im Zuge des Erfolgs von Marktplätzen stellen international und in der Schweiz immer mehr Online-Shops sukzessive auf ein Marktplatzmodell um. Sie nehmen also Drittanbieter in ihren Online-Shop auf, um so das Sortiment zu erweitern.

  • Der deutsche Tierbedarfshändler Fressnapf hat angekündigt, bis 2025 zum «Marktplatz rund um das Tier» zu werden.
  • Der Velohändler «Rose Bikes» nutzt seit 2019 eine Plattformstrategie, um komplementäre Produkte von Drittanbietern zu verkaufen.
  • Auch Douglas kündigte 2019 an: «Plattformökonomie ist das Geschäftsmodell der Zukunft. […] Douglas wird zur Plattform, wodurch wir unsere Position als erste Adresse für Beauty erfolgreich weiter ausbauen.» (Tina Müller, Douglas Group CEO, 31. Oktober 2019).
  • Im Juni 2021 lancierte das Schweizer Warenhaus Manor seinen Marktplatz – dieser soll helfen, das Sortiment mit neuen und bestehenden Marken in verschiedenen Kategorien wie Mode oder Haushalt zu vergrössern. Der Manor-Markplatz soll das Warenhaus dabei unterstützen, die Sortiments- und Kundenbasis zu verbreitern. Bis 2024 möchte Manor seinen Online-Umsatz, u. a. mit der Marktplatzstrategie, verfünffachen (Handelszeitung, 2021).
  • Auch Globus hat angekündigt, seinen Online-Shop zum Marktplatz auszubauen.
  • Zalando hat seine Plattformstrategie bereits 2015 lanciert – hier geht es vor allem um die Anbindung von lokalen stationären Händlern, um so das Sortiment zu erweitern. Am «Connected-Retail»-Programm beteiligen sich nach Angaben von Zalando aktuell bereits 4’000 Läden in elf europäischen Märkten. Bis Ende 2021 möchte Zalando die Zahl der Partneranbieter auf mehr als 6’000 erhöhen. Und im Juni 2021 gab Zalando bekannt, dass Schweizer Detailhändler ihre Geschäfte ab sofort an die Zalando-Plattform anschliessen können.

Die Transformation vom reinen Online-Shop zum Marktplatz kann für Händler sinnvoll sein, um der Kundenerwartung eines tiefen Sortiments und des sogenannten «Long-Tails» gerecht zu werden. So können Händler in ihren Online-Shops Drittanbieter in einzelnen Warengruppen einsetzen, wenn die eigene Auswahl dort zu gering ist. Dabei handelt es sich um eine sehr risikoarme Strategie, um mehr Kunden zu erreichen und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.

Auch die Bedeutung von B2B-Marktplätzen wächst. Allerdings werden diese in den Rankings kaum berücksichtigt, zumal Informationen dazu nur schwer zu bekommen sind. Viele der grössten global aktiven E-Commerce-Unternehmen im B2B, beispielsweise Amazon Business, Rakuten, Alibaba und Mercateo, sind Plattformen. Auch im B2B-Geschäft lässt sich der Trend beobachten, den eigenen Online-Shop für andere Händler zu öffnen. So hat Würth etwa bereits 2016 die Plattform WUCATO lanciert, die zusätzliche Lieferanten listet, um den Würth-Kunden eine effiziente Beschaffung grösserer Sortimente zu ermöglichen.

Wie gehen Handelsunternehmen mit dieser Entwicklung um?

Damit ergeben sich für Schweizer Detailhändler und Hersteller zwei wesentliche Fragen im Hinblick auf Online-Marktplätze:

  1. Soll ich als stationärer oder Online-Detailhändler meine Produkte auf Online-Marktplätzen anbieten?
  2. Soll ich meinen Online-Shop für Drittanbieter öffnen?

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